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Glas - Entscheidung zur Jahreswende
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Autor:  Schiritorte [ 25.02.2017, 12:31 ]
Betreff des Beitrags:  Glas - Entscheidung zur Jahreswende

Es war der Silvester Morgen Anno Domini 2015. Heinrich saß am Küchentisch und betrachtete die Regentropfen die gegen die Außenscheibe des doppelt verglasten Fensters prasselten. Seltsame Kanäle in denen die Tropfen abwärts auf die Reise gingen, erzeugten just in jenem Moment ein Bild das man nicht nur unter Stimmungsschwankung des Betrachters hätte fassen können. Die herunter laufenden Tropfen erzeugten noch nie von ihm beobachtete Lichtbrechungen. Dabei kannte er sich mit Glas bestens aus. Dreißig Jahre hatte er in der Glashütte gearbeitet, hatte noch Glück gehabt im Gegensatz zu seinen ehemaligen Kollegen. Vor einundzwanzig Jahren war er mit vierundvierzig über die Berufsgenossenschaft in die Berufsunfähigkeitsrente wegen seiner Atemwegserkrankung geschickt worden. Seinen Kollegen wurde das Werk vor der Nase durch die neuen Besitzer geschlossen. Der Sozialplan war mehr als dürftig, zu Zeiten der Schröder Regierung wurden aus einem großen Teil der ehemaligen Facharbeiter, kurz vor dem Renteneintrittsalter, Hartz IV Empfänger. Alle die das ein bis zwei Jahre vor sich her schieben mussten, haben heute dadurch etwa hundertfünfzig Euro weniger an Rente.
Seine Brunhilde war vor zwei Jahren einem Krebsleiden erlegen, das hatte ihn schon ziemlich aus der Bahn geworfen. Da er seit einigen Jahren dieses mobile Sauerstoffgerät mit sich führen konnte war er flexibler im Alltag geworden, aber das würde sich ja ab Morgen ändern. Durch eine Gesetzesreform wurde seine Berufsbedingte Krankheit vom Amtsblatt genommen. Im Klartext, er musste bis zum normale Renteneintritt Hartz IV beantragen, würde die Wohnung in der er seit fast vierzig Jahren wohnte nicht mehr halten können. Zum 1.1. hätte er weniger als die Hälfte mit eingerechnetem Wohngeld zur Verfügung. Zum Leben zu wenig.......
Seit Oktober, da hatte die Regierung es auf den Weg gebracht, auch Subventionen für Großkonzerne wurden gegen den EU – Beschluss verlängert, hatte er sich darauf vorbereitet. Nur er hatte mal wieder den Kürzeren gezogen, dementsprechend hatte er alles in die Wege geleitet. Die Beerdigung war bezahlt, auch der Entrümpler und die Miete für Januar.
Glas war sein Leben. Silicate und Asbeststoffe die zu seiner Zeit zur Erzeugung von hochwertigem Glas aber auch für die Weltberühmten Gerrix Einweckgläser benötigt wurden, hatten bei ihm eine Krebserkrankung und diverse Absonderheiten an Lunge und Magen erzeugt. Er füllte sich in sein uraltes Trinkglas, das hatte er 1967 als Facharbeiter - Stück hergestellt, einen guten Schluck von diesem klaren Wasser.
Noch einmal betrachtete er jetzt das Naturschauspiel an seinem Fenster. Die Tropfen sammelten sich nun zu einem größeren Tropfen zusammen um den Weg der Erdanziehung zu beschreiten. Es hatte aufgehört zu regnen, es wurde für Heinrich Zeit seinen Spaziergang zu machen. Nur diesmal nahm er sein Glas und die Flasche in einem Stoffbeutelchen mit. Er schritt langsam Treppab dann durch die Unterführung des S-Bahnhofes und wieder Treppauf. Immer schön sein Sauerstoffgerät hinter sich herziehend. Diese Bahnhofsquerung kostete ihn immer viel Kraft, daher waren seine Spaziergänge an seinem ehemaligen Werk vorbei nie lange. Heute war es anders, ähnlich wie wenn er sonst mit dem Bus fuhr um die Anstrengung zu vermeiden, lief er heute zum Eingang des neuen Wohngebietes. Welch ein Hohn, stand dort ein Schild mit dem zukünftigen Bebauungsplan, wurde das Gelände des ehemaligen Werkes jetzt 'Glasmacherviertel' genannt. Zu horrenden Preisen wurde hier Kontaminiertes Gelände als hochwertiges Bauland verkauft, wieder mit Zustimmung der Politik.
Nein es reichte jetzt, zwölf Stunden vor dem großen Knallen. Er durchschritt die Absperrung, zielsicher lief er dort hin, wo früher mal sein Arbeitsplatz gewesen war. Hier setzte er sich auf einen der Aushubhügel und holte Flasche und Glas aus den Stoffbeutel. Einen letzten Schluck Wasser, dann zerbrach er das Glas. Mit der Scherbe schnitt er jetzt gekonnt die Halsschlagader auf. In etlichen Sendungen hatte er sich informiert. Das impulsartige Spritzen des Blutes zeigte ihm, das er sein Leben aus Glas bald beendet hätte. Schnell wurde ihm kalt, dann verlor er das Bewusstsein.

Autor:  Michi [ 25.02.2017, 12:33 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Glas - Entscheidung zur Jahreswende


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