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Kilian und der weise König - Das Glück dieser Erde
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Autor:  Schiritorte [ 13.12.2015, 09:50 ]

Es geschah zu einer Zeit, als viele Menschen noch glaubten, die Erde sei eine Scheibe. Wer über den Rand hinaus schritt, würde ins nichts stürzen. Aber auch damals waren Herzensangelegenheiten eine sehr persönliche Sache, für jeden nur anders.
Kilian, der älteste Sohn von Bauer Lempel, hatte in der Nacht einen merkwürdigen Traum. Neben seiner Walburga war er eingeschlafen, wie sonst auch, nach einem langem Arbeitstag.
Er träumte vom 'Glück dieser Erde', ähnlich den Geschichten die Mutter ihm zu Kinderzeiten erzählt hatte. Heute würde man es Märchen nennen.
In Kilians Traum, vielleicht war es auch eine Erscheinung, fand er sich inmitten von Gold und Silber wieder. Er saß auf einem Thron, hatte die feinsten Stoffe an, und dirigierte das Hofvolk was es zu tun hätte.
Im Morgengrauen versorgte er die Schweine und fütterte die Hühner ehe er zum Frühstück ins Haus ging. Walburga hatte schon die beiden Kühe gemolken und Kaffee gekocht. So gab es neben dem Kaffee noch frische warme Milch. Auch Kilians Eltern, die Altbauern, saßen schon am Frühstückstisch. Es war ein munteres Kauen und Schlürfen zu hören.

„Walburga, Du meine Liebe, ich habe den Traum vom 'Glück dieser Erde' geträumt. Ich werde noch heute auf Wanderschaft gehen um diesen Traum für uns einzufangen. Lieber Vater und liebe Mutter, in spätestens einem Jahr werde ich wieder hier sein und den Hof dann wie versprochen übernehmen. Aber jetzt möchte ich versuchen, für Walburga und mich, das höchste Glück zu finden.“
Walburga hatte Tränen in den Augen, auch den alten Lempel`s fiel es schwer den Ältesten in die Ferne ziehen zu lassen.

Kilian war drei Tage durchs Land gezogen da traf er auf den Müller Heinrich. Er sah sich alles genau an, dann durfte er es selbst unter Anleitung probieren. Jetzt wusste er die Geschichten seiner Mutter, die von der Mühle Klipp-Klapp gesprochen hatte, einzuordnen. Mit dem gestauten Wasser des Baches wurde das Mühlrad angetrieben.
Eine Woche später gab Heinrich ihm einen kleinen Mehlsack für seine Dienste mit als Kilian sich, nach dem Weg zum König fragend, verabschiedete.

Beim Schuster Georg kehrte er als nächstes ein. Der war froh einen so kräftigen Burschen um sich zu haben da das Lederziehen und Schneiden ihm nicht mehr so leicht von der Hand gingen. Gerne hätte er Kilian als Gesellen gehabt doch der schnitt dem alten Meister für sämtliche Leisten, vier Rohlinge. An zwei Paar Schuhen durfte Kilian selbst Hand anlegen. Das in seiner Größe schenkte ihm der Meister als Kilian nach zwei Wochen wieder aufbrach.

So lernte Kilian im Laufe des nächsten halben Jahres die verschiedensten Berufe kennen. Schneider, Bäcker, Schmied, Koch und Dachdecker, um nur die wichtigsten zu nennen. Er war förmlich im Kreis um die Burg des Königs gelaufen, hatte aber nicht eine Spur seines Traumes gefunden. Er klopfte an der Zugbrücke des Schlosses, man möge ihm Einlass gewähren. Schon am ersten Tag durfte er ins Schloss da er als einer von zehnen auserwählt war, die dem König ihr Anliegen vortragen durften.
„Herr König, ich bin auf der Suche nach dem 'Glück dieser Erde'. In einem Traum habe ich dabei euer Schloss gesehen.“
Der König schaute ihn prüfend an, wusste nach einigen Fragen das Kilian verheiratet war.
„Wenn die Zeit gekommen ist wirst Du das 'Glück dieser Erde' dort finden, wo Du es bisher nicht sehen konntest.“
Kilian hatte die Worte des weisen Königs zwar nicht verstanden, aber jetzt wollte er wieder heim da ihm die Suche aussichtslos erschien. Hier in dem Schloss war ihm alles fremd, nichts außer dem Gebäude entsprach seinem Traum.

Auf dem direkten Weg wollte er jetzt nachhause. Fast acht Monate er war unterwegs gewesen ohne seinen Traum in Erfüllung zu sehen. Als er an den Dorfeingang des Nachbardorfes kam lief der Dorfschulze zeternd vor seinem Hause auf und ab. Kilian fragte ob er helfen könne.
„Die Hebamme ist noch nicht da, meine Tochter bekommt aber bald ihr Kind. Wenn Du alles machst was ich Dir sage, kannst Du die Hebamme ersetzen.“
Kilian machte alles zur Zufriedenheit des Dorfschulzen. Der war Arzt, Apotheker, Frisör und Bürgermeister, alles in einer Person.
Als Kilian das Baby gesäubert hatte reichte er es der Mutter. Er hatte erstmals in seinem Leben Sachen gesehen, die sonst immer unter der Bettdecke unsichtbar waren.
Er hatte wieder etwas für sein Leben gelernt.
Der Dorfschulze und seine Tochter bedankten sich noch mal und gaben ihm zur Belohnung die Geburtsschere mit.

Acht Monate und vier Tage nach seinem Aufbruch, kehrte Kilian auf seinen Hof zurück. Seine Eltern liefen aufgeregt über den Hof, Walburga saß angelehnt an die Tür zum Kuhstall. Ihr dicker Bauch ließ Kilian erahnen was bevor stand. Der Vater wollte schon zum Dorf reiten um den Dorfschulzen und die Hebamme zu holen. Kilian begrüßte alle, die Dauer zwischen den Wehen sagte ihm dass die Geburt unmittelbar bevor stand. So wie der Dorfschulze ihn angewiesen hatte machte er es nun mit seiner Mutter. Er selbst trug mit Hilfe des Vaters, seine Walburga bis ins Bett. Dann machte er alles so wie er es gelernt hatte.
Zehn Minuten später hielt er seinen Stammhalter in Händen.
„Der König hatte recht. Das 'Glück dieser Erde' habe ich genau dort gefunden, wo er es vorher gesagt hatte. Walburga ich liebe Dich.“

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