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Kurzgeschichte - Die Weltensegler
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Autor:  silvershade [ 10.05.2009, 17:34 ]

Ich las den ganzen Abend und die gesamte Nacht in den Notizbüchern, die teils vom alten Doktor, teils vom „jungen“ Doktor verfasst worden waren. Darin waren Tagebücher der Reisen in andere Welten als auch so manche Notiz über das Segeln an sich enthalten.
So hatte der alte Doktor die Quelle dereinst einem verarmten Grafen abgekauft, und war mitsamt seiner Familie in dieses Haus gezogen. Vorerst beobachtete er nur die anderen Welten, bis er entdeckte, wie er in sie hineinsegeln konnte. Den Begriff segeln hatte – anders als Dr. Ebenstein mir gesagt hatte – der alte Doktor verwendet, da der Übertritt in die Welten einer frischen Meeresbrise glich, welche die Segel des Schiffes aufblähte und so vorantrieb. Er erklärte allerlei Dinge von denen er nichts Genaues wusste, wie etwa die Verschiebung der Zeiten in den Welten, und notierte in seinem Tagebuch eine Reise in die prähistorische Vergangenheit unserer Welt, und war sich anfangs nicht sicher, ob der Brunnen nicht eine Zeitmaschine war.
Er beschrieb das Erlebte in allen Einzelheiten, und wie er sich anfangs fürchtete, was in jener Welt geschehen würde, wenn er ein Dinosaurierei entwendete, und was in unserer Welt passieren würde, wenn es schlüpfte.
Der jüngere Doktor beschrieb eine Reise ins tiefe Mittelalter als seine erste, und erklärte, wie gefährlich es gewesen war, das richtige Zeichen zur rechten Zeit zu erkennen, um umzukehren.
Auch wurden Theorien näher erklärt, in deren Zeit die Doktoren sich befanden. So etwa, was es mit Stonehange auf sich hatte. Denn der jüngere Doktor war dort hin gereist um zu erfahren, was es damit auf sich hätte. So nahm er an, dass Stonehange dereinst auch eine Quelle besaß, und eines der Tore in eine andere Welt war. Er wäre beim Bau dort gewesen, und fand eine Wasserstelle vor, die von den Kelten als heilig angebetet wurde. Heute ist davon jedoch nichts mehr zu sehen, vermutlich, weil sie von den Druiden zerstört wurde, da sie eine zu große Gefahr bedeutete.
Ich las von einem Moment, als ein anderer Weltensegler durch dieses Portal unsere Welt betrat, und erfuhr, dass die Doktoren einige Welten mehr als einmal besucht hatten, jedoch feststellten, dass viele Leute, die sie beim ersten Mal getroffen hatten, sich nun nicht mehr an sie erinnerten.
Während ich so las, aß ich eine Fleischpastete, welche mir der Doktor einpacken hatte lassen. Er bestand darauf mich mit der Nahrung zu versorgen, welche er teilweise aus Welten mitbrachte, die unserer Zeit voraus waren, und in denen Lebensmittel nicht unerschwinglich oder einfach ausverkauft waren.
Ich fand ein Foto, wie ich es noch nie gesehen hatte in den Tagebüchern. Es stellte den jüngeren Doktor und einen anderen Mann, der wie ein Wissenschaftler gekleidet war, dar. Doch waren die Farben bunt und klar erkennbar, das Bild wirkte bewegt und nicht so steif, wie die Portraitfotos, die ich kannte. Und das Papier war von eigener Beschaffenheit, ich hatte so etwas noch nie gefühlt. Zweifelsohne stammte dieses Bild aus einer Welt, die unserer weit voraus war.
Als der Morgen dämmerte, machte ich mich auf den Weg zum Labor. Ich war kaum müde, ich war so aufgeregt und gespannt, was mich beim Übertritt des Doktors in die andere Welt erwarten würde.
Ich hatte nur gelesen, wie man es schaffte, zwischen den Welten zu wählen, also nicht per Zufall in eine hineinzusegeln, doch wie man es schaffte, den Übertritt zu bewältigen, das hatte ich nicht erfahren.
Darum war ich auch ein wenig skeptisch, ob all das wirklich stattfinden würde, oder ob es sich dabei nur um einen großen Betrug des Doktors handelte, um Regierungsgelder zu erhalten, und ob er in den Brunnen sprang, nur um dann mit schallendem Gelächter und klatschnass wieder herauszukommen, und mir zu erklären, dass es ihm Spaß bereitet hätte, mir einen Bären aufzubinden.
Doch ich würde es bald wissen. Denn ich erreichte bereits die Villa, während mir mein Kopf alle möglichen Lügen aufzudecken versuchte. Ja, aus der Neugierde war binnen weniger Minuten Skepsis geworden, ob das alles real war oder einfach nur gut gefälschte Beweise.
Der bucklige Igor öffnete mir die Tür, und ich trat ein. Er beäugte mich skeptisch, und deutete mir mit einem Murren mich zu beeilen. Ich lief den engen, dunklen Gang entlang, obwohl ich ihn noch nicht so oft durchschritten hatte, so war er mir schon vertraut. Mein Herz schlug schneller als das Hufgetrappel eines Rennpferdes, und ich konnte meine Neugierde kaum noch zügeln, doch die Tür schien so weit entfernt zu sein, als wäre sie bereits in einer anderen Welt versunken.
Noch ehe ich sie erreichte, wurde sie von Innen geöffnet, und der Doktor trat heraus. „Ah, da sind Sie ja endlich. Wo bleiben Sie denn so lange?“
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Es war kurz nach sieben Uhr und ich wusste nicht, ob der Doktor nun sieben Uhr oder acht Uhr gesagt hatte. Dann warf auch der Doktor einen Blick auf seine Uhr, und sein Blick wurde freundlicher.
“Oh, entschuldigen Sie, ich bin es gewohnt, dass Physiker unpünktliche Menschen sind, und habe über der Arbeit die Zeit nicht beachtet. Nun, umso besser, dass sie schon so früh hier sind. Dann will ich Sie nicht länger im Ungewissen belassen. Sie haben sich die Notizen durchgelesen, nehme ich an?“
Ich nickte, und mein Puls war nun fast hörbar. Ich fragte mich, wann der Doktor nach dem ungewöhnlichen Pochen, das aus meiner Richtung kam, fragen würde. Doch er wandte sich um und betrat die Treppen zum Labor. Knarrend übertönten sie nun meinen Herzschlag, der sich immer noch nicht beruhigen wollte.
Ich legte die Notizbücher auf den Tisch neben dem Brunnen, und wollte einen Blick hineinwerfen, doch der Doktor hielt mich zurück. „Öffnen Sie das Tor nicht, ehe ich Ihnen nicht alles erklärt habe.“ Er öffnete die verschlossene Schublade in seinem Schreibtisch, und entnahm eine alte Taschenuhr. Sie musste gute 200 Jahre alt sein, doch für mich schien sie sonst kaum von Wert zu sein. Doch der Doktor streichelte zärtlich über die Gravur auf der Rückseite, als wäre diese Uhr das wertvollste Stück dieser Welt.
„Kommen Sie, Junge, sehen Sie sich das an.“ Ich machte einen Schritt auf ihn zu, und er hielt mir die Uhr vor Augen. Ein seltsames Muster zierte den Deckel der Uhr, und als ich sie öffnete, war darin kein Ziffernblatt, sondern ein weiteres Muster, das einem Kompass ähnelte. Fragend sah ich den Doktor an.

*Fortsetzung folgt*

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