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Ostfriesische Teezeremonie https://www.michis-backforum.de:443/viewtopic.php?p=55375#p55375 |
Autor: | Heimi [ 17.11.2006, 08:39 ] |
========== REZKONV-Rezept - RezkonvSuite v1.2 Titel: Ostfriesische Teezeremonie Kategorien: Aufbau, Info, Tee, Deutschland Menge: 1 Text ====================== EINE ERZAEHLUNG VON ====================== -- Dirk Frieborg Jahaaa - nicht nur die Japaner haben sowas - auch bei den Ostfriesen kann man aus Tee einen Festakt machen. Waehrend unseres Urlaubs letzte Woche in Ostfriesland habe ich mich da ein wenig schlau gemacht und unter anderem auch in Norden das Tee- und Heimatmuseum besucht. Was mir nun schon vorher bekannt war: Die Ostfriesen trinken starken, schwarzen Tee in einer speziellen, eben der Ostfriesenmischung. Sie nehmen dazu Kluntje-Kandis (grosse, weisse Brocken) und Sahne. Irgendwann sickerte dann auch mal zu mir durch, dass der Tee nicht umgeruehrt wird. Allerdings kam an dieser Art bei mir nicht der rechte Geschmack auf - ich dachte immer, man muesse lange warten, bis sich ohne Umruehren Tee, Zucker und Sahne zu einer Einheit mischen - weit gefehlt! Das Vermischen dieser drei Komponenten ist eher die englische Trinkweise: Stark, suess, und die Milch zuerst hinein, damit sich alles mischt. Das Wesentliche, was das ostfriesische Teetrinken von anderen Arten unterscheidet, will ich am Ende dieses "Rezeptes" noch ausfuehrlich beschreiben. Kommen wir ersteinmal zu den benoetigten Geraeten: * Wasserkocher oder Teekessel (frueher wurde in speziellen Schalen, die auf Fuessen direkt am Tisch standen, auf Glut das Wasser gekocht) * eine Aufgusskanne aus Porzellan, dickbauchig mit eingebautem Sieb * evtl. ein Teesieb und eine Servierkanne * ein Stoevchen * ostfriesische Teemischung (nach Vergleichstest mein Favorit: Onno Behrends Auslese "Gold" - herber, kraeftiger Assam-Grundgeschmack, leicht malzig, mit blumiger Note vom Darjeeling) * Kluntje * Sahne (echter Rahm, mindestens 30% Fett, keine Kaffee-Sahne oder so was!!!) * einen kleinen Teeloeffel zum Abmessen des Tees und zum Auflegen der Rahmwolke, besser dazu noch einen original Sahneloeffel (Rohmlepel). Die wichtigsten Grundregeln sind nun: * Es hantiert immer nur eine Person am Tisch, Hausherr oder Hausfrau! * Es ist wesentlich unhoeflicher, den Tee auf seine Gaeste warten zu lassen als die Gaeste auf den Tee! Der Tee muss frisch zubereitet sein! Nun aber die eigentliche Zubereitung: Das Wasser wird erhitzt, bis es sprudelnd kocht! Als erstes wird nun die Aufgusskanne mit kochendem Wasser vorgewaermt, damit kein Waermeverlust eintritt. Ist dies geschehen, wird in die Kanne pro Tasse ein (kleiner!) Teeloeffel Tee gegeben - und einer dazu "fuer die Kanne". [Je nach Geschmack und bei sehr weichem Wasser kann man jedoch auch mit der Haelfte auskommen]. Die Teeblaetter nun mit sprudelnd kochendem Wasser uebergiessen, bis sie gut bedeckt sind. Die Kanne sollte also nicht mehr als halbvoll sein! Auf dem Stoevchen 5 min. ziehen lassen. Danach die Kanne mit kochendem Wasser vollfuellen. Nun kann man so servieren oder durch ein Sieb in eine zweite (ebenfalls vorgewaermte!) Kanne abseihen. Die Kanne wiederum auf das Stoevchen stellen. Zum Servieren wird nun jede Tasse mit einem Stueck Kluntje versehen (oder zwei kleinere). Hausherr/Hausfrau fuellen jetzt zuerst ihre eigene Tasse. Dies mag unhoeflich erscheinen, dient aber dem Zweck, dass eventuell in der Kannentuelle verhandene Blaetter in die eigene Tasse gelangen und nicht in die der Gaeste. Die Tassen werden nur halbvoll geschenkt! Sind alle Tassen gefuellt, wird obenauf mit dem Loeffel ein Rahmwoelkchen gelegt. Nicht umruehren! Es schickt sich nicht, eher zur Tasse zu greifen, als bis der Hausherr/ die Hausfrau die eigene Tasse beruehrt und damit zum Trinken auffordert. Und jetzt kommt das, was den Geschmack beim Trinken ausmacht, also nicht etwa das Mischen der Zutaten, sondern eine Art "schichtweiser" Genuss: Eine solche Tasse Tee wird nach etwas Abkuehlung in drei Schlucken zuegig ausgetrunken, wobei sich auch drei verschiedene Stofflichkeiten zeigen: * Der erste Schluck ist der weiche, cremige Rahm * Der zweite Schluck ist der herbe, wuerzige Tee * Der dritte Schluck ist die Suesse des Kluntje. In dieser Methode liegt der feine Unterschied: Es soll sich nichts mischen, sondern alles tritt nacheinander "in Reinkultur" auf! Wenn man das verstanden hat, lernt man, den Geschmack zu schaetzen und denkt nicht mehr, dass da irgendwas schiefgegangen ist. ;) Nach der dritten Tasse kann sich der Gast bedanken und ein Nachschenken ablehnen, indem er den Loeffel schraeg in die Tasse stellt. Drei Tassen jedoch gehoeren dazu. Der Volksmund sagt: "Dree Tassen is Ostfreesenrecht!" Allerdings darf auch gern eine vierte (und mehr) Tassen getrunken werden... Wenn man dazu bedenkt, dass traditionell bis zu sechs Teepausen am Tag gemacht wurden, in der pro Kopf 3 Tassen getrunken wurden, so kommt man auf 18 Tassen Tee pro Tag und Nase! Das erklaert wohl auch, warum die Ostfriesen im Teeverbrauch mit 3kg pro Kopf und Jahr ein Zehnfaches des bundesdeutschen Durchschnitts verkonsumieren. ===== |
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